Friedrich Zürndorfer
Friedrich Zürndorfer war ein vermutlich in Haigerloch geborener und in Rexingen aufgewachsener Sohn der Eheleute Max W. Zürndorfer und Ida geb. Hilb. Der Vater war von Beruf Textilhändler.
Friedrich Zürndorfer kam vermutlich 1893 nach Dortmund. Er wurde erstmals im Adressbuch der Stadt für das Jahr 1894 genannt. Demnach wohnte er im Haus Gerberstraße 7 und war Kommis von Beruf.
Ende Dezember 1894 verlobte er sich mit Bertha Strauß aus Hörde, die auch den Vornamen Paula führte. Etwa vier Wochen nach der Verlobung wurde das Aufgebot bestellt, und im Februar 1895 schlossen sie den Ehebund. 1896 wurde der Sohn Walter und 1898 die Tochter Hilde geboren. Zur Unterstützung der Mutter stellten die Zürndorfer ein Kindermädchen ein.
Die Familie wohnte in Hörde, wo Friedrich Zürndorfer ein Kurz- und Modewarengeschäft eröffnete. Im August 1895 erschienen kurz nacheinander Stellenangebote für Verkäuferinnen und Lehrmädchen. In seinem Geschäft bot Zürndorfer Mey’s Stoffwäsche aus der Fabrik Mey & Edlich, Königlich Sächsischer und Rumänischer Hoflieferant, Leipzig-Plagwitz feil. Produkte dieses Unternehmens wurden auch in weiteren Geschäften in Hörde sowie in Schwerte angeboten. Mit diesen Kaufleuten schaltete Zürndorfer immer wieder gemeinsame Werbeinserate, die bis zum Ersten Weltkrieg in den Tageszeitungen erschienen.
Am 7. Dezember 1898 entstand beim Anzünden eines Gaslichts im Schaufenster von Zürndorfers Weißwarengeschäft ein Feuer, das sich wegen der dort befindlichen leicht brennbaren Stoffen schnell ausbreitete. Zwar konnte die Feuerwehr das Schlimmste verhindern, für den Geschäftsinhaber war der Schaden dennoch sehr hoch. Denn die nicht verbrannten Waren, wurden durch das Löschwasser verdorben. Zürndorfer bot die leicht beschädigte Ware im Januar 1899 in einem großen Ausverkauf an. Auch im August 1899 entstand ein Feuer bei Zürndorfer: Ein Lehrmädchen hatte trotz Verbots mit einer offenen Petroleumlampe den Keller betreten und den Brand verursacht. Weil das Feuer aber bereits im Entstehen gelöscht werden konnte, blieb der Schaden gering.
Im Januar 1900 führte Zürndorfer einen zehntägigen Ausverkauf durch, weil er seine Geschäftsräume umbauen und vergrößern wollte. Innerhalb eines Jahres wurden die Bauarbeiten abgeschlossen. Der Verkauf war in der Zeit weitergegangen. Die während des Umbaus in Mitleidenschaft gezogene Ware bot Zürndorfer in einer Sonderverkaufsaktion im Januar 1901 zum Kauf an.
Der Turnverein Jahn richtete im Juli 1902 eine große Feier aus, bei der auch Turner-Wettkämpfe ausgerichtet wurden. Die kostbaren Preise und Ehrenpreise waren vor dem Fest in Zürndorfers Schaufenster ausgestellt.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges spendete die Firma Zürndorfer der Hörder Kreisstelle vom Roten Kreuz selbstgefertigte Täschchen mit Seife und Handtuch beziehungsweise mit Zwirn, Nadeln und Knöpfen. Die Täschchen waren an den Bahnhöfen in Holzwickede und Schwerte sehr begehrt. Als beispielhaft wurde im Dezember 1915 festgestellt, dass die Firma Zürndorfer auf die übliche Weihnachtsgabe für ihre Kundschaft – Kalender – verzichtete und stattdessen 250 Mark für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen spendete. Friedrich Zürndorfer war Mitglied des Ortsausschusses der Ludendorff-Spende für Kriegsbeschädigte Hörde-Stadt. Als solches unterzeichnete er im Juni 1918 einen Spendenaufruf. Sein Warenangebot hatte Friedrich Zürndorfer kriegsbedingt umgestellt. Seit 1916 führte er Ullsteins Schnittmuster im Angebot und gab entsprechende Werbeanzeigen auf und zwar bis weit in die Nachkriegszeit hinein. Nach Kriegsende gehörte Zürndorfer der Preisprüfungskommission des städtischen Wucheramtes an, das im Januar 1920 seine Arbeit aufnahm. In dem Jahr spendete der Kaufmann 50 Mark zugunsten der Arbeitsgemeinschaft für die Volksabstimmung in Ost- und Westpreußen sowie Oberschlesien.
In den 1920er Jahren wurde Zürndorfer mehrfach Opfer von Einbrüchen und Diebstählen. So entwendeten jugendliche Arbeiter im Juni 1920 Stickgarn aus einem Lagerraum, nachdem sie zuvor eine Fensterscheibe eingeschlagen hatten. Die vor dem Haus befindlichen Schaukästen wurden gleich mehrfach zertrümmert und ausgeraubt: in den Nächten vom 28./29. November 1921, vom 7./8. Februar 1922 und im Dezember 1922.
Bei einem Schaufenster-Wettbewerb in der Vorweihnachtszeit 1924 wurde die Firma Friedrich Zürndorfer mit der Plakette der Stadt ausgezeichnet und erhielt zusätzlich einen Ehrenbrief für hervorragende Leistungen.
Kaufmann mit einem künstlerischen Talent
Friedrich Zürndorfer ließ sein Geschäft anläßlich der Feier der Weihe der Hörder Synagoge im Januar 1900 geschlossen. Während der Feierlichkeiten wurden mehrere, schöne gedruckte Gedichte von Herrn Kaufmann Friedrich Zürndorfer nach bekannten Melodien gesungen.
Bei der Feier des 50jährigen Jubiläums des Israelitischen Frauenvereins von Hörde kam ein Festspiel zur Aufführung, das von Frau Löwenthal, Herrn Max Löwenthal und Herrn Zürndorfer geschrieben worden war.
Auch bei der Feier des 25jährigen Jubiläums des Vereins zur Wahrung kaufmännischer Interessen Hörde fiel Zürndorfers künstlerische Ader positiv auf: Er hatte eine Operette geschrieben und sein Sohn Walter die Musik dazu komponiert. Die Aufführung der Operette im Rahmen der Jubiläumsfeier wurde ein großer Erfolg. Verfasser und Komponist haben damit ein Werk geschaffen, das inhaltlich wie musikalisch vorzüglich gelungen ist und dessen Ouvertüre sich den Werken moderner Operettenkomponisten gleichwertig zur Seite stellen kann.
Ehrenämter und Vereinsmitgliedschaften
Friedrich Zürndorfer war einer der Gründer des Vereins zur Wahrung kaufmännischer Interessen in Hörde und hatte lange Zeit das Amt des Schriftführers inne. In seinen letzten Jahren gehörte er dem Beisitzer-Kollegium des Vereins an.
Im Dezember 1909 wurde er als Vertreter der Arbeitgeber der Ortskrankenkasse gewählt. Das wiederholte sich noch im Mai 1925 und im Dezember 1927.
Der Kaufmann Zürndorfer war 1910 Schöffe am Königlichen Amtsgericht Hörde.
Bei der Neuwahl des Steuerausschusses der Gewerbesteuerklasse III des Stadtkreises Hörde im Juli 1911 ließ sich Zürndorfer als Kandidat aufstellen, wurde jedoch nicht gewählt. 1913 wurde er dann als Stellvertreter gewählt.
Seit Oktober 1913 gehörte er dem Ortsausschuss der Vertrauensmänner und der Ersatzmänner für die Angestelltenversicherung an. Bei der Neubildung des Ausschusses im März 1922 war er wieder dessen Mitglied, ebenso im November 1927.
Auf Vorschlag des Hörder Vereins zur Wahrung kaufmännischer Interessen wurde Zürndorfer im September 1925 in das Kuratorium der gewerblichen [!] Berufsschule gewählt.
Der Tod
Friedrich Zürndorfer verstarb nach kurzer schwerer Krankheit am 8. Februar 1928 in dem italienischen Kurort San Remo, wo er sich zu seiner Genesung aufhielt. Die Familie und die Angestellten der Firma gaben Todesanzeigen auf. In einem Nachruf hieß es, dass der Verstorbene sein Geschäft aus kleinen Anfängen zu einem sehr angesehenen entwickelt hatte, dabei aber dennoch die Zeit gefunden hatte, sich in verschiedenen Kommissionen und wirtschaftlichen Vereinigungen eifrig zu betätigen und an dem Wohle unserer Stadt mitzuarbeiten.
Die Beisetzung Friedrich Zürndorfers fand am Sonntag, 19. Februar von der Leichenhalle des jüdischen Friedhofs am Hörder Kampweg aus statt. Die Grabstelle ist erhalten. Das Grabmal, dessen Zentrum eine stilisierte Flamme ziert, wurde von dem Düsseldorfer Künstler Leopold Fleischhacker geschaffen.
Die Firma Friedrich Zürndorfer ging durch Erbgang auf die Witwe Bertha Zürndorfer über. Die in Krefeld lebende Familie Max David und Hilde geb. Zürndorfer zog nach Hörde um, da Max David bald darauf in das Geschäft seines verstorbenen Schwiegervaters einstieg.
Walter Zürndorfer
Ostern 1912 bestand Walter Zürndorfer die Schlussprüfung am Hörder Realgymnasium und erhielt das Zeugnis für den einjährig-freiwilligen Militärdienst. Er besaß offensichtlich ein großes musikalisches Talent, denn bei der Kaiser-Geburtstagsfeier 1913 begleitete der Obersekundaner Zürndorfer, Schüler des Konservatoriums zu Dortmund, den Schülerchor in schönster und harmonievollster Weise. Bei einem Konzert des Schülerchors im März des Jahres saß er ebenfalls am Klavier.
Im Verlaufe des Ersten Weltkrieges war Walter Zürndorfer Soldat. Als Angehöriger des Vereinslazarettzuges Nr. 3 grüßte er gemeinschaftlich mit anderen Hördern im Juli 1915 die Bürger seiner Heimatstadt aus dem Einsatz. Zu Beginn des Jahres 1917 erhielt er für seine 21 Monate dauernde Tätigkeit als freiwilliger Krankenträger die Rote-Kreuz-Medaille. Ein Jahr später wurde er zum Unteroffizier befördert. Bei diesem Anlass wurde er als Medizinstudent bezeichnet. Am Ende des Krieges war er Vizewachtmeister und ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse.
Nach dem Krieg studierte Walter Zürndorfer Medizin. Aus dieser Zeit fehlen jegliche Nachrichten. Auch ist nicht bekannt, warum er um 1927/28 in die USA auswanderte. Mit seiner Ehefrau, der Schauspielerin Esther geb. Morris, lebte er spätestens 1929 in Chicago. Dort wurde ihm am 9. April 1929 eine Tochter, Dorothy, und im Februar 1931 ein Sohn, Friedrich, geboren, was auch durch Zeitungsinserate in Hörde bekannt gemacht wurde.
Dr. Walter Zürndorfer praktizierte auch 1933 noch in Chicago. Weitere Hinweise auf ihn fehlen.
Hilde Zürndorfer
Hilde Zürndorfer verlobte sich im Juli 1919 mit dem Berliner Kaufmann Hans Liepmann. Zu einer Eheschließung zwischen den beiden kam es aber nicht. Stattdessen verlobte sich Hilde Zürndorfer im Mai 1921 mit dem Kaufmann Max David aus Krefeld. Sie heirateten am 3. August desselben Jahres. Im Juni 1922 wurde ihnen in Krefeld der Sohn Rolf geboren und im Mai 1926 ein weiterer Sohn.
Im April 1929 erhielt Max David Prokura in der Firma Friedrich Zürndorfer, Hörde, die im Oktober des Vorjahres auf seine Schwiegermutter übergegangen war. Am 26. Januar 1933 trat er als persönlich haftender Gesellschaft in das Geschäft ein, das seit dem 15. Januar des Jahres als offene Handelsgesellschaft geführt wurde. Dem Unternehmen war kein langes Bestehen mehr beschieden. Am 14. November 1933 wurde im Handelsregister eingetragen, dass die offene Handelsgesellschaft Friedrich Zürndorfer aufgelöst sei. Das Geschäft ging unter Ausschluss des Übergangs der Forderungen und Verbindlichkeiten auf den Kaufmann Stanslowski über, der es unter der Firma Friedrich Zürndorfer Nachfolger fortsetzte. Zeitgleich bot der neue Geschäftsinhaber im Haus Alfred-Trappen-Straße 12 (vor der Eingemeindung Hördes nach Dortmund: Langestraße) eine 5-Zimmerwohnung mit fließend Wasser, Bad, Innenklosett und Dampfheizung zur sofortigen Vermietung an.
Das weitere Schicksal der Familie David ist nicht bekannt.
Klaus Winter
26.01.2023