Hermann Rosenberg und Paul Rosenberg

Hermann Rosenberg stammte aus Lünen an der Lippe. Dort war er am 28. September 1847 geboren worden. Über seinen frühen Werdegang ist lediglich bekannt, dass er als Soldat am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 teilgenommen hat.

Zeitungsinserat (Dortmunder Zeitung, 15.05.1876)
Zeitungsinserat (Dortmunder Zeitung, 13.11.1927)
Verkaufsraum Hansastr. 71 (Dortmunder Zeitung, 26.05.1928)
Zeitungsinserat (Dortmunder Zeitung, 08.04.1931)

Der Sattler und Kutschenbauer

Im Mai 1876 eröffnete Hermann Rosenberg im Haus I. Kampstraße 7 eine Werkstatt zur Anfertigung und Reparatur von Polsterwaren und Dekorationen sowie ein Lager an Reit- und Fahrzeugen, Reiseutensilien und anderem. Die Ergebnisse seiner Handwerkskunst stellte er bei verschiedenen Gelegenheiten zur Schau wie zum Beispiel im September 1876 beim Jahresfest des landwirtschaftlichen Vereins, auf dem seine in Handarbeit gefertigten Sattlerarbeiten in Reit- und Fahrzeugen „von Pferdeliebhabern und Sachkennern als ausgezeichnet gelungen“ beurteilt wurden. Anlässlich der Dortmunder Gewerbe-Ausstellung im Juni 1879 schrieb die Presse über seine Produkte: „Bei den von Herrn H. Rosenberg, Sattler, 1. Kampstraße 7, ausgestellten Pferdegeschirren ist besonders die vorzügliche Handstepperei hervorzuheben.“ Und in der Berichterstattung über das Fest des landwirtschaftlichen Kreisvereins 1880 hieß es: Rosenbergs ausgestellte Erzeugnisse seien „mit der Hand gefertigt und ist viel Fleiß darauf verwandt worden; sie zeichnen sich durch Dauerhaftigkeit und einfache, aber doch schöne Formen aus.“

Ab der Mitte der 1880er Jahre betätigte Hermann Rosenberg sich auch als Wagenbauer und Händler von Pferdewagen und Kutschen. Er vergrößerte sein Betriebsgelände durch die Einbeziehung des Grundstücks I. Kampstraße 6. Anfang 1887 erwarb er dann von den Erben des bekannten Dortmunder Musikdirektors Franz Giesenkirchen das Haus I. Kampstraße 15 mit dem dazugehörigen großen Garten zum Preis von 54.000 Mark.

Auch als Wagenbauer nutzte Rosenberg große Feste und Märkte zur Präsentation seiner Fabrikate. So hieß es in einem Presseartikel über das Jahresfest 1886 des landwirtschaftlichen Kreisvereins: „Die hiesigen Luxuswagen-Fabrikanten, nämlich die Herren C. Maßler Sohn, Cordes und Hermann Rosenberg hatten eine große Anzahl Wagen, sowohl im Rohbau, als fertig, zur Ausstellung gebracht, die sich sämtlich, bei großer Eleganz, durch solide Arbeit auszeichneten.“

Im Herbst 1893 stellte Hermann Rosenberg in seinen „räumlich ausgedehnten Geschäftslokalitäten“ ein herrschaftliches Coupé vor, das mit zwei elektrischen Laternen ausgestattet war, von denen die eine an der Deichsel, die andere im Wageninnenraum hing. Den Strom lieferte ein im Bock liegender Akkumulator, der von einem Dynamo gespeist wurde. Rosenberg war der erste in der Stadt, der einen Wagen mit elektrischer Beleuchtung anbieten konnte.

Auf der Industrie- und Gewerbeausstellung in Düsseldorf 1902 wurden zwei elegante Gespanne, die aus Rosenbergs Werkstatt stammten, von den Preisrichtern prämiert. „Es freut uns dies umso mehr, als wir schon vorher von Sachverständigen und Kennern dieser Branche gehört hatten, daß die Gespanne zu den feinsten und am saubersten gearbeiteten der Gruppe gehörten. Wir ersehen hieraus, daß unsere Stadt Dortmund auch in dieser Branche [Wagenbau] einen Vertreter hat, der sich mit den ersten Firmen von Rheinland und Westfalen wohl messen kann.“

Es steht außer Frage, dass Hermann Rosenberg in einem guten Ruf stand. Es hat den Anschein, dass auch andere davon profitieren wollten. So hatten die Herrenschneider Braun & Elkan während der Düsseldorfer Ausstellung eine elegante Kutscherlivre auf einem Wagen Rosenbergs gezeigt und mehrfach durch Inserate in Dortmunder Tageszeitungen darauf hingewiesen. Und als im März 1903 der Lackiermeister Scholz seinen Betrieb an der Kaiserstraße eröffnete, verwies er nicht allein auf seine langjährige Tätigkeit als Lackierer, sondern auch darauf, dass er nach sechsjähriger Stellung bei der Firma H. Rosenberg in der Lage sei, allen Anforderungen gerecht werden zu können.

Am 9. Juli 1906 starb im städtischen Luisenhospital Hermann Rosenbergs Ehefrau Sara geb. Koppel (Coppel). Sie war als Tochter des Kaufmanns Isaak Koppel und seiner Ehefrau Betty geb. Kleeberg am 20. Januar 1853 in Steele im Landkreis Essen geboren worden. Das Datum ihrer Eheschließung mit Hermann Rosenberg ist nicht mehr bekannt. Das Paar hatte vier Kinder, von denen der erstgeborene Sohn in seinem ersten Lebensjahr verstarb. Sara Rosenberg geb. Koppel wurde auf dem Ostfriedhof beigesetzt. Ihr Grabmal hat sich bis heute erhalten.

Das neue Standbein

Im Jahre 1901 stellte Hermann Rosenberg einen Bauantrag mit dem Ziel, seinen Betrieb zu vergrößern. Wegen eines Fehlers in den Planungen wurde das Projekt aber abgelehnt. Nachdem Rosenberg die seinem Haus benachbart gelegene Besitzung I. Kampstraße 17 „zu verhältnismäßig hohem Preise“ gekauft hatte, unternahm er 1903 einen weiteren Anlauf, um sein Betriebsgelände zu erweitern. Dazu reichte er im Frühjahr erneut einen Bauantrag ein, der aber – wie später festgestellt wurde – unverhältnismäßig lange Zeit von den städtischen Behörden nicht bearbeitet und dann abgelehnt wurde. Hintergrund für das Verhalten der Behörden war die Ausarbeitung eines neuen Fluchtlinienplans für die I. Kampstraße. Nach Festsetzung des Plans war Rosenbergs Bauvorhaben nicht mehr genehmigungsfähig. Wegen der bewussten Verzögerung bei der Bearbeitung seines Bauantrages und den daraus entstandenen Folgen klagte Hermann Rosenberg gegen die Stadt auf Schadensersatz. Den Anspruch darauf leitete er ab aus dem Umstand, dass er, weil er seinen Betrieb an der I. Kampstraße nicht hatte vergrößern können, zu diesem Zweck ein neues Grundstück habe erwerben und bebauen müssen. Es kam zu einer jahrelangen juristischen Auseinandersetzung. Selbst das Reichsgericht in Leipzig musste sich mit dem Fall beschäftigen. Der Streit endete erst 1915. Tatsächlich erhielt Rosenberg keine Entschädigung; lediglich die Ausgaben für den Architekten, der für die Neubauplanung 1903 verantwortlich gewesen war, wurden ihm erstattet.

Weil er seine Neubaupläne an der I. Kampstraße nicht realisieren konnte, hatte Rosenberg das Grundstück Kaiserstraße 182 für 75.000 Mark gekauft. Hier ließ er großzügig bauen. Für die Werkstätten hatte er die Bauerlaubnis am 2. Januar 1907 beantragt und am 25. Februar des Jahres erhalten. Am 17. März begannen die Bauarbeiten, am 9. August beantragte Rosenberg die Rohbauabnahme und im Oktober schließlich die Gebrauchsabnahme. Die Baukosten beliefen sich auf 80.000 Mark. 1909 ließ er noch einen Luftdruckhammer mit einem Fallgewicht von 35 kg aufstellen.

Hermann Rosenberg erweiterte seinen Betrieb um eine Automobil-Abteilung. In den Räumen an der Kaiserstraße befand sich seit dem Sommer 1908 eine Zweigniederlassung der Firma Anton Rütgers & Co., Aachen. Zwei Jahre später warb Rosenberg für Ärzte-, Liefer- und Feuerwehrwagen, Droschken, Omnibusse und staatlich subventionierte Lastwagen der Dürkopp & Co. AG, Bielefeld. Er unterzeichnete Werbeinserate nun mit „Hermann Rosenberg. Wagenfabrik und Automobilbau“. Die Verkaufsräume befanden sich I. Kampstraße 11-17, die Fabrik an der Kaiserstraße. Spätestens ab 1913 verkaufte Rosenberg Automobile der Firma Adam Opel, Rüsselsheim.

Der Sohn in den Fußstapfen des Vaters

Als viertes und letztes Kind war den Eheleuten Rosenberg am 19. August 1883 der Sohn Paul geboren worden. Er besuchte die Oberrealschule und bestand dort im Sommer 1900 die Prüfung zur Berechtigung für den einjährigen-freiwilligen Militärdienst. Im Februar 1911 verlobte er sich mit Else Schartenberg aus Witten und heiratete sie drei Monate später. Im Jahre 1915 wurde den Eheleuten eine Tochter und am 9. August 1918 der Sohn Hans Hermann geboren.

Zum 1. April 1911 trat der Wagenbautechniker Paul Rosenberg als persönlich haftender Gesellschafter in das Unternehmen seines Vaters ein. Zehn Jahre standen Vater und Sohn dem Unternehmen gemeinsam vor. Dann schied Hermann Rosenberg in seinem 74. Lebensjahr aus. Er starb am 22. Februar 1928 in Münster, wo er vermutlich von seinem Schwiegersohn Dr. med. Adolf Rosenberg betreut worden war. Dieser meldete dem Standesamt auch den Todesfall. Die Leiche wurde eingeäschert und die Urne auf dem Ostfriedhof neben dem Grab von Sara Rosenberg geb. Koppel beigesetzt. Der Dortmunder Kriegerverein hatte seine Mitglieder zur Teilnahme an der Beerdigung aufgerufen.

Paul Rosenberg verkaufte Autos, war aber auch ein erfolgreicher Fahrer. Bei einer Geschicklichkeitsprüfung für Auto- und Motorradfahrer errang er am 16. November 1924 den zweiten Platz mit einem Opel. Diese Position erzielte er auch ein halbes Jahr später bei dem ersten Hohensyburg-Rundstreckenrennen in der Klasse I B, die in 4-PS-Wagen zwei Runden absolvieren musste. Bei der Rennfahrt 1926 wurde er Sieger in der Klasse „Tourenwagen“. Auszeichnungen erhielt Paul Rosenberg auch für seine Arbeit: Bei der Handwerks- und Gewerbeschau Dortmund 1925 wurde seinem Unternehmen eine goldene Medaille für Karosseriebau verliehen.

Im Februar 1927 kaufte die Stadt Dortmund die Rosenbergsche Besitzung I. Kampstraße 11; ihr gehörte bereits ein Teil des angrenzenden Geländes. Das Haus konnte von der Firma Rosenberg jedoch noch einige Zeit genutzt werden, zumindest als Ausstellungslokal für Automobile. Dennoch ließ Paul Rosenberg ab Ende 1927 ein neues Ladenlokal im Haus Hansastraße 71 bauen; es war Ende Mai 1928 fertiggestellt. Ausgestellt wurden hier nur Fahrzeuge der Firma Adam Opel. Besonderes Glanzstück war der Wagen, mit dem Firmeninhaber Paul Rosenberg auf einer Schönheitskonkurrenz in Wiesbaden den zweiten Preis erzielt hatte.

Die neue Wohnung der Familie befand sich im Haus Silberstraße 22.


Noch Anfang März 1933 widmete die „Dortmunder Zeitung“ der Firma Hermann Rosenberg einen ausführlichen Bericht, in dem die Fabrik an der Kaiserstraße sowie die Ausstellung an der Hansastraße sehr lobend beschrieben wurden. Ende August desselben Jahres wurde das Unternehmen dann mit allen Räumlichkeiten „entsprechend den Vorschriften des Wirtschaftspolitischen Amtes der NSDAP“ in die Firma „Kraftfahrzeug-Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Dortmund“ übergeleitet. Im November 1933 erschien dann ein Hetzartikel über Paul Rosenberg mit dem Titel „Wie ein Jude sein Personal ausbeutete.“

In den Adressbüchern wurde Paul Rosenberg noch eine Zeit lang als Fabrikant, wohnhaft im Haus Silberstraße 22 geführt. Was er und seine Familie unter den Nationalsozialisten erleben mussten, darüber fehlen Informationen, doch steht es fest, dass Paul Rosenberg mit seiner Ehefrau Else geb. Schartenberg im März 1942 nach Zamość deportiert und ermordet wurde.

Das Schicksal der beiden Kinder der Eheleute Rosenberg ist unbekannt.