Familie Moses Herzfeld und Helene geb. Grüneberg

Moses Herz wurde 1810 in Bochum als Sohn der Eheleute Herz Moses und Scheira Simon geboren. Wann er nach Dortmund kam und ob er zu dem Zeitpunkt bereits mit der um 1820 in Dortmund geborenen Helene Grüneberg, Tochter des Kaufmanns Herz Simon Grüneberg verheiratet war, ist nicht bekannt. 1846/47 nahm Moses Herz den festen Familiennamen „Herzfeld“ an. 1862 hatten die Eheleute neun Kinder.

Moses Herz(feld) gründete 1843 eine Lichterzieherei „in der C. Fechnerschen Besitzung am Burgthore“. 1848 war er Eigentümer der Besitzung Brückstraße 19, die aus einem Wohnhaus mit Hofraum bestand und mit dem Grundstück Stubengasse 2 verbunden war (Flur XIII, Nr. 66). Als Kaufpreis hatte er 1.423 Taler 10 Silbergroschen gezahlt. Nach 1850 erwarb er noch die Nachbargrundstücke Stubengasse 4 und 6.

Bauzeichnungen der Herzfeldschen Lichterfabrik, 1866 (Stadtarchiv Dortmund, 3-1227)

Herzfeld beabsichtigte auf seinen bis dahin unbebauten Grundstücken an der Stubengasse eine Talglichterfabrik zu errichten. Zu der Fabrik gehörte eine Schmelzanlage zur Gewinnung von Talg aus rohen tierischen Fetten, für die Moses Herzfeld am 6. Februar 1849 einen Genehmigungsantrag beim Dortmunder Magistrat stellte. Daraufhin wurde das Projekt am 28. Februar 1849 öffentlich bekanntgemacht mit der Aufforderung, dass etwaige Einwände gegen die neue Fabrik innerhalb von vier Wochen erhoben werden müssten. Es meldete sich F. C. Landfermann, der befürchtete, dass von Herzfelds Betrieb Belästigungen und Gefahren ausgehen würden. Der Wegebauinspektor Hassenkamp wurde beauftragt, die Bedenken des Landfermann zu prüfen. Er kam zu dem Schluss, dass bei Herzfelds Vorhaben keine besondere Feuergefahr gegeben und aufgrund des hohen Schornsteins auch nicht mit einer erheblichen Geruchsbelästigung zu rechnen sei. Zusätzlich bescheinigt der Kreisphysikus Dr. Nolten durch sein ärztliches Gutachten, dass die bei der Talgschmelze entstehenden Dünste nicht nachteilig für die Gesundheit seien. Landfermann zog seinen Einspruch zurück.

Bis 1860 konnte Moses Herzfeld seinen Geschäften ungestört nachgehen. Im Sommer 1860 unterzeichneten jedoch 36 Bürger eine Eingabe an die Dortmunder Polizei-Verwaltung, in der sie sich über „die von der Talgschmelzerei des hiesigen Herrn M. Herzfeld herrührenden übelriechenden und offenbar der Gesundheit nachtheiligen Dünste“ beschwerten und Abhilfe verlangten. Mit diesem Schreiben begann eine jahrelange Auseinandersetzung um das Unternehmen des Moses Herzfeld.

Der Dortmunder Magistrat beabsichtigte, Moses Herzfeld den Fortbetrieb seiner Lichterfabrik, zumindest aber der Talgschmelze zu untersagen und zog deswegen Erkundigungen bei der vorgesetzten Behörde, der Königlichen Regierung in Arnsberg ein. In Arnsberg sah man für eine Betriebsschließung jedoch keine rechtliche Grundlage und empfahl dem Magistrat, Herzfeld aufzuerlegen, das Fenster der Schmelzkammer dauerhaft geschlossen zu halten, den Schornstein durch einen Aufsatz zu verlängern und um den Schmelzkessel einen Dunstmantel anzulegen. Herzfeld kam diesen Auflagen nach. Mit den baulichen Änderungen an der Fabrik war der Ärger jedoch nicht aus der Welt geschafft. Wegen der fortdauernden Geruchsbelästigung musste Moses Herzfeld weiter um seine Lichterfabrik kämpfen. Es kam zu Gerichtsprozessen, dessen Urteile sowohl zu seinen Gunsten als auch gegen ihn ausfielen. 1865 wandte er sich wegen der Streitigkeiten um sein Unternehmen sogar an das Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten in Berlin, von dem er sich Unterstützung erhoffte.

Herzfeld hatte in dem Streit um sein Unternehmen beständig argumentiert, dass Lichterherstellung und Talgschmelze zusammengehörten und ihm 1849 beides genehmigt worden war. Ein Erlass des Handelsministeriums vom 4. September 1865 besagte aber, dass das Ausschmelzen von rohem Talg nicht zu dem Umfang des Gewerbebetriebes gehörte, der 1849 konzessioniert worden war. Eine nochmalige Prüfung dieser Entscheidung führte nicht zu einer Abänderung dieses Urteils. Herzfeld durfte seine Lichterfabrik also nicht in gewohnter Weise fortführen. Ihm war lediglich erlaubt, bereits aus rohem Fett gewonnenen Talg umzuschmelzen, denn das Umschmelzen war nur mit einer geringen Geruchsbelästigung verbunden. Um den Betrieb nicht einstellen zu müssen, ließ Herzfeld in Städten in der Umgebung schmelzen, bis der Transport zu schwierig und ihm die Möglichkeit zum Schmelzen gekündigt wurde. Dann stellte er Versuche mit einer geruchsfreien Schmelzmethode („Brunn’sches Verfahren“) an. Weil er aber immer wieder auch rohe tierische Fette schmolz, wurde er zu Geldstrafen verurteilt und sein Betrieb über längere Zeit in Abständen von ein bis drei Tagen durch die Polizei kontrolliert.

Ihren letzten Höhepunkt erreichten die Auseinandersetzungen um die Lichterzieherei an der Stubengasse in der ersten Hälfte der 1870er Jahre. Herzfeld klagte vor dem Kreisgericht gegen die Stadtgemeinde Dortmund und den Königlichen Fiskus auf Schadensersatz und Ausgleich des entgangenen Gewinns, weil ihm die Ausübung seines Gewerbes durch das Schmelzverbot unmöglich gemacht worden war. Er konnte sich auf zwei Gutachten stützen, die bestätigten, dass eine Talgschmelze aus rohem Fett zu einer Lichterzieherei dazugehöre. Das Kreisgericht gestand Herzfeld aber keine Entschädigung zu. Es hatte im Prozessverlauf in Erfahrung gebracht, dass Herzfeld Fett nicht nur für seine Talglichter schmolz, sondern damit auch handelte. Der Handel mit geschmolzenem Fett gehörte aber nicht zu dem 1849 konzessionierten Gewerbe und deshalb wies das Kreisgericht im Oktober 1873 Herzfelds Antrag zurück. Herzfeld legte Revision gegen das Urteil ein, die im April 1875 ebenfalls abgewiesen wurde. Das erlebte Moses Herzfeld jedoch nicht mehr, denn er war im Monat zuvor gestorben.

Schon zu Zeiten, als er noch ungestört seinem Lichterzieher-Gewerbe nachgehen konnte, stellte Moritz Herzfeld Räumlichkeiten seines Hauses an der Brückstraße Händlern zur Verfügung, die nicht in der Stadt ansässig war. So bot ein Ph. J. Manes zu Ostern 1853 dort Herren-Garderoben feil. Im Mai 1863 nutzte M. Eisenstädt aus Magdeburg das Haus des Moses Herzfeld für einen Ausverkauf von Haushaltstextilien, Herren-Wäsche und -Utensilien.

In den 1860er Jahren änderte sich seine Berufsbezeichnung in den Adressbüchern der Stadt Dortmund von Lichterzieher oder Lichterfabrikant in Kaufmann. Spätestens seit 1862 kaufte Herzfeld Tierfelle an und verkaufte sie an Gerber und andere Fellhändler. Dabei wurde er von seinem Sohn Simon unterstützt. Möglicherweise versuchte er, sich durch den Handel mit Tierfellen ein zweites Standbein zu schaffen, weil er fürchtete, die Lichterfabrik würde ihn und seine Familie nicht mehr ernähren können.

Um 1869 wagte Moses Herzfeld einen Neuanfang als Seifenfabrikant. Für seine neue Fabrik suchte er per Zeitungsinserate Arbeiter. Stadtpläne aus der Zeit um 1870 zeigen, dass die Seifensiederei von M. Herzfeld im nördlichen Stadtteil an der Leopoldstraße, nahe ihrer Einmündung in die Münsterstraße lag. Nächster Nachbar war die Feilenhauerei Mummenhof & Stegemann, ansonsten stand die Fabrik zu der Zeit weitestgehend im freien Feld.

Wohl wegen seiner neuen Fabrik im Norden gehörte Moses Herzfeld der Burgbauerschaft an. Als Mitglied der Deputation der Bauerschaft nahm er 1873 Angebote für Arbeiten zur Befestigung der Leopoldstraße an.

Trotz Fellhandel und Seifenproduktion wurde Moses Herzfeld auch in den 1870er Jahren vornehmlich als Lichterfabrikant bezeichnet. So auch bei einem Missverständnis, das kurz nach dem Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 sein Ansehen in der Öffentlichkeit schwer schädigte: Zur Aufnahme von verwundeten Soldaten hatte sich auch in Dortmund ein Komitee gebildet, das die Verteilung der in Stadt ankommenden Verwundeten in private Pflege organisierte. Auch Moses Herzfeld hatte sich dem Komitee gegenüber bereit erklärt, einen Verwundeten in seinem Hause aufzunehmen. Als ihm jedoch in der zweiten August-Hälfte 1870 ein schwer verwundeter Unteroffizier zugeführt wurde, lehnte er dessen Aufnahme ab, was rasch publik wurde. In der Tagespresse wurde Herzfelds Entscheidung als negatives Beispiel veröffentlicht. Zwei Tage später wurde die Nachricht jedoch korrigiert. Es hatte sich herausgestellt, dass Herzfeld sich dem Komitee gegenüber bereit erklärt hatte, einen Leichtverwundeten bei sich aufzunehmen. Das war inzwischen auch geschehen. Der Redakteur schloss seinen Artikel: „[…]wir können es nur bedauern, daß Leute, die sich eines guten Rufes der Wohlthätigkeit erfreuen, und auch jetzt nicht gezögert haben, gegen ihre Mitbürger in keiner Weise zurückzustehen, in solcher Weise in der öffentlichen Meinung gekränkt werden.“

Als 1854 die Synagogen-Gemeinde Hörde ins Leben gerufen wurde, wurde Moses Herzfeld in den Vorstand gewählt. 1854 und 1857 wurde er in Zeitungsinseraten als Vorsteher der Gemeinde bezeichnet. Bei seinem Tode war er einer der stellvertretenden Repräsentanten. Auch verkaufte er ab den 1850er und 1860er Jahren Matzot (Matze, ungesäuertes Brot) in Kommission. Entsprechende Zeitungsinserate finden sich regelmäßig am Jahresanfang vor dem Pessach-Fest.

Als 1870 in Dortmund von der jüdischen Bevölkerung ein „Verein zur Unterstützung hiesiger und durchreisender Armer und zur Vermeidung der lästigen Bettelei“ gegründet wurde, übernahm M. Herzfeld das Amt des Kassierers.

Moses Herzfeld starb am 17. März 1875 nach kurzem Krankenlager in seinem 65. Lebensjahr in seiner Wohnung an der Leopoldstraße. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem jüdischen Friedhof am Westentotenhof (Abteilung II, Reihe 8, Nr. 1).

Die Witwe Helene Herzfeld war gemeinsam mit ihrem Sohn Simon Inhaberin der Firma M. Herzfeld & Sohn, Seifenfabrik und Fellhandlung. Sie starb am 11. Dezember 1887 im Haus Steinplatz 2 und wurde auf dem Ostfriedhof beigesetzt.

Simon Herzfeld, geboren am 6. September 1841, hatte das Dortmunder Gymnasium besucht. Im Alter von 14 Jahren deklamierte er „Die Markaner bei Friedrich II“ auf der Feier anlässlich des Geburtstages des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. Bereits in der ersten Hälfte der 1860er Jahre unterstützte er seinen Vater beim Fellhandel. Nach dessen Tod war er zunächst mit seiner Mutter, dann alleiniger Inhaber der Firma M. Herzfeld & Sohn.

Simon Herzfeld verstarb plötzlich am 21. Mai 1897 im Haus Brückstr. 19. Seine Ehefrau Jenny geb. Edel überlebte ihn um beinahe 20 Jahre. Ihr Todestag ist der 17. April 1917. Das Grab der Eheleute befindet sich auf dem Ostfriedhof.