Julius Udewald
Julius Udewald wurde im Jahre 1855 in Beverungen (Kreis Höxter) geboren. Er war ein Sohn des Kaufmanns Simon Udewald und seiner Ehefrau Minna geb. Mansbach. Aus seiner Kindheit und Jugend ist nichts mehr bekannt.
Seit 1880 lebte Julius Udewald in Köln, wo er sich als Kaufmann betätigte. Als solcher reiste er mehrfach nach Aachen. Bei seiner Verlobung mit Johanna Eichholz aus Hörde im November 1884 war der Kaufmann etwa 29 Jahre alt und lebte noch immer in Köln. Im Juli 1885 bestellten die Verlobten beim Standesamt Hörde das Aufgebot und heirateten in der ersten Hälfte des Monats August 1885. Sie wohnten in Hörde, wo ihnen die Söhne Fritz (1886), Karl (1888) und Ernst (1890) geboren wurden.
Geschäftliches
Zeitgleich mit seiner Eheschließung übernahm Julius Udewald die Mode-, Weiß- und Kurzwaren-Handlung der Geschwister Eichholz an der Lange Straße (heute Alfred-Trappen-Straße) in Hörde und führte sie fast dreißig Jahre unter dem angestammten Namen weiter. In einem Nachruf sollte es später heißen, dass er die Firma aus kleinsten Verhältnissen zu der heutigen Blüte gebracht hatte.
Reklameanzeigen des Geschäfts belegen, dass der Schwerpunkt des Handels auf den Modellhüte lag. Außer der Werbung finden sich in der Presse nur wenige Hinweise auf den Geschäftsbetrieb. 1890 wurde gegen Udewald ein Strafmandat in Höhe von einer Mark verhängt, weil er während des Hauptgottesdienstes die Eingangstür seines Geschäftslokals nicht verschlossen hatte. Sein Einspruch dagegen wurde abgewiesen. 1897 wurden abends nach Geschäftsschluss Waren im Wert von 500 bis 600 Mark durch ein Feuer vernichtet. Passanten hatten das Feuer bemerkt und die Feuerwehr alarmiert, so dass der Schaden begrenzt werden konnte. Eine Gasflamme im Geschäftslokal soll das Feuer verursacht haben.
Seit dem Herbst 1890 suchte Udewald eine Directrice, drei selbständige Arbeiterinnen und drei Verkäuferinnen für ein Putzgeschäft, das er zum 1. Februar 1891 in Essen an der Ruhr eröffnen wollte. Das neue Geschäft wurde unter der Firma Udewald & Co. geführt und bestand etwa zehn Jahre. Seine Löschung im Handelsregister von Essen erfolgte im Oktober 1901.
Immobilien
Im August 1896 kaufte Julius Udewald für 24.000 Mark die Silberbergsche Besitzung an der Langestraße 9, und etwa ein halbes Jahr später ging auch das an der Rathausstraße gelegene Haus der Witwe Krämer für 7.150 Mark in Udewalds Eigentum über. Auf den neu erworbenen Grundstücken ließ Udewald durch den Maurermeister Idel zwei große Gebäude errichten. Die Baumaßnahme stand aber unter keinem guten Stern. Bereits beim Abbruch des alten Hauses wurde die Baustelle von Dieben heimgesucht. Zwei vorbestrafte Arbeiter stahlen Bleirohre, konnten aber von der Polizei festgenommen werden. Bei den Ausschachtungsarbeiten geriet ein Nachbarhaus in Einsturzgefahr. Das alte Gebäude musste durch Balken gestützt werden, um sein Zusammenbrechen zu verhindern. Dann wurde beim Setzen eines eisernen Trägers ein Arbeiter so verletzt, dass er sofort in das Krankenhaus Bethanien gebracht wurde. Wenige Tage später stahlen Unbekannte Handwerkszeug und Kleidungsstücke von der Baustelle; zum Teil wurde die Beute in der Nachbarschaft wiedergefunden. Ende Mai des Jahres ereignete sich erneut ein Unfall mit Eisenträgern am Neubau. Ein Hilfsarbeiter stürzte dabei aus dem ersten Stock in den Keller, wodurch er innere Verletzungen und Verletzungen am Kopf erlitt. Ein weiterer Arbeitsunfall mit Eisenträgern ereignete sich am 1. Juni. Nun erlitt ein Arbeiter einen Splitterbruch des linken Beins. Mitte August berichtete die Tagespresse über fortgesetzte Diebstähle auf der Baustelle, den Tätern sei man auf der Spur. Auch die Unfallserie schien kein Ende nehmen zu wollen: Beim Hochziehen eiserner Treppen erhielt ein Arbeiter einen Stoß, so dass er rücklings herabstürzte und wie tot liegen blieb.
Im November 1897 war die Baumaßnahme abgeschlossen und die Fa. Geschwister Eichholz konnte die Eröffnung der neuen Geschäftsräume begehen. Das Gebäude, so hieß es in der Tagespresse, konnte sich in Bezug auf seine ganze Ausführung mit Geschäftshäusern von Großstädten vergleichen lassen. Auch die Einrichtung überraschte positiv, und die Eröffnungsdekoration fand allgemeine Anerkennung und Bewunderung.
Noch während an der neuen Synagoge in Hörde gebaut wurde, kaufte Julius Udewald die an der Ecke Lange Straße und Goldstraße gelegene alte Synagoge für 13.500 Mark. Er beabsichtigte, an ihrer Stelle ein elegantes Geschäftshaus aus Eisen und Glas, sozusagen einen Glaspalast zu erbauen, in dem ein Wiener Café betrieben werden sollte. Der Magistrat von Hörde sah jedoch in der Stadt keinen Bedarf für ein neues Café und versagte Udewald aus diesem Grunde die notwendige Konzession. Udewalds Einspruch gegen die Entscheidung des Magistrats blieb zunächst erfolglos, schließlich erlangte er sie aber doch. Aus unbekannten Gründen gab Julius Udewald später jedoch die Pläne für sein Wiener Café auf und verkaufte das ehemalige Synagogen-Grundstück an einen Herrn Hugo aus Dortmund, auf den auch die Konzession umgeschrieben wurde.
Engagement für die jüdische Gemeinde
In der Mitte der 1890er Jahre begann Julius Udewald, sich aktiv in der Synagogengemeinde Hörde zu engagieren. Er wurde Mitglied des Gemeinde-Vorstandes und war bei seinem Tode dessen Vorsitzender.
Anfang Juni 1895 begrüßte Udewald in seiner Eigenschaft als Mitglied des Vorstandes der jüdischen Gemeinde die im Hotel Rühl in Hörde versammelten Mitglieder der 40. Jahresversammlung des Vereins israelitischer Elementarlehrer der Provinzen Westfalen und Rheinland und verlas dabei ein Grußschreiben des verhinderten Bürgermeisters von Hörde.
Julius Udewald gehörte innerhalb der jüdischen Gemeinde dem Komitee an, das sich um den Neubau einer Synagoge in Hörde kümmerte. Als solcher stand er in der Lotterie-Affäre im Januar 1895 wegen Lotterie-Vergehens und Hinterziehung der Stempelsteuer vor dem Landgericht Dortmund und wurde wie die anderen Komitee-Mitglieder zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, die aber nach der Revision vor dem Reichsgericht in Leipzig und einer von dort angeordneten Neuverhandlung von dem Landgericht in eine geringfügige Geldstrafe umgewandelt wurde. Als Vorsitzender der Baukommission verlas Udewald bei der Grundsteinlegung der Synagoge im September 1898 die Urkunde, bevor sie in den Grundstein gelegt wurde, und bei den Einweihungsfeierlichkeiten im Januar 1900 toaste er auf die Ehrengäste und begrüßte den Bürgermeister Evers.
Im Verein für jüdische Geschichte und Literatur in Hörde, der damals 45 Mitglieder hatte, war Julius Udewald 1898 Kassierer. Dieses Amt hatte er auch noch 1899 inne. Im Winterhalbjahr 1900/01 hielt er einen Vortrag über den Juristen, Publizisten und Politiker Gabriel Rießer, den er einige Jahre später wiederholte.
Udewald engagierte sich auch im Verein für jüdische Krankenpflege. Im November 1906 gehörte er dem Dortmunder Lokalkuratorium dieser Institution an.
Bei der Feier des 50jährigen Jubiläums des Israelitischen Frauenvereins Hörde erinnerte er an die Verdienste des Vereins seit seinem Bestehen.
Im Januar 1914 wurde nach 36jähriger Tätigkeit für die jüdische Gemeinde Hörde der Lehrer und Prediger Stern feierlich verabschiedet. Die Kaufleute Udewald und Gans hielten die Abschiedsrede.
Julius Udewald gehörte der zur Bne Brith-Loge gehörenden Märkischen Loge in Dortmund an. Spätestens Ende des Jahres 1907 war er deren Präsident.
sonstiges Engagement
Der Name des Kaufmanns Julius Udewald stand auf der Liste der Geschworenen für das Jahr 1898. Im Juni 1898 gehörte er dem Wahl-Komitee der nationalliberalen Partei in Hörde an.
Im September 1900 wollte Julius Udewald sich in den Hörder Magistrat wählen lassen. Mehrere Wahlgänge waren notwendig, bis die Entscheidung gefallen war, denn erst im dritten Wahlgang setzte sich Kaufmann Grügelsiepe mit acht Stimmen gegen Kaufmann Udewald durch, der sieben Stimmen erreicht hatte. Etwas später nahm Udewald dann Grügelsiepes Platz im Magistrat ein. Das geht aus einem Pressebericht über einen Prozess vor dem Schöffengericht Hörde hervor, in dem es heißt, am Wahltage erfuhr Herr Kemmer nun, daß Herr Grügelsiepe fallen gelassen und für ihn Herr Udewald aufgestellt worden sei. Als Lokalpolitiker übernahm Udewald Verantwortung in der Hörder Gesundheitskommission. Seit 1905 kann er als Mitglied dieses Gremiums nachgewiesen werden. Im Sommer 1913 gab er das Amt ab.
Als im November 1900 die Idee aufkam, in Hörde einen kaufmännischen Verein zu gründen, wurde Udewald in die fünfköpfige Kommission gewählt, die die Vereinsgründung vorbereiten sollte. Aus dieser Initiative ging der „Verein zur Wahrung kaufmännischer Interessen“ hervor. Julius Udewald hatte jahrelang das Amt des Vorsitzenden des Vereins inne.
Im Mai 1903 unterzeichnete Julius Udewald eine Petition an den Magistrat und das Stadtverordnetenkollegium von Hörde zur Durchlegung der elektrischen Straßenbahn vom Marktplatz durch die Lange Straße und Kirchstraße zur Victoriastraße.
Im März 1905 stand Udewalds Name auf der Vorschlagsliste für die Wahlen zum städtischen Kaufmannsgericht. Er kandidierte als Beisitzer der Arbeitergeber und wurde in das Amt gewählt und 1909 sowie 1911 wiedergewählt.
In einer Sitzung der Handelskammer Dortmund im Frühjahr 1911 wurde Julius Udewald ebenso wie Salo Roman, M. Wolff und weitere Kaufleuten, die allesamt von kaufmännischen Vereinen dazu vorgeschlagen worden waren, in den neu zu gründenden Kleinhandelsausschuss der Kammer gewählt. Bei den im Dezember 1913 vorgenommenen Ergänzungs- und Neuwahlen der Handelskammer Dortmund wurde J. Udewald von der 3. Wahlabteilung zum Mitglied der Handelskammer gewählt.
Im Sommer 1912 war er Mitglied des Komitees des Stadtkreises Hörde für die Nationalflugspende.
Der Tod
Die Eheleute Udewald verloren am 4. April 1914 ihren ältesten Sohn, den in Dortmund praktizierenden Arzt Dr. med. Fritz Udewald. Etwa einen Monat später, am 6. Mai 1914 starb der Kaufmann Julius Udewald im Alter von 59 Jahren in seiner Wohnung an der Lange Straße in Hörde. Sein Sohn Karl zeigte dem Standesamt den Sterbefall an. In den Tageszeitungen erschienen Todesanzeigen der Familie, des Personals der Firma Geschwister Eichholz, des Vereins zur Wahrung kaufmännischer Interessen und der Handelskammer Dortmund. In einem Nachruf hieß es, dass Julius Udewald sich lebhaft für die Bürgerpartei eingesetzt hatte und in der Synagogengemeinde als eifriges und gewissenhaftes Vorstandsmitglied tätig gewesen war. Die Synagogengemeinde Hörde veröffentlichte in der jüdischen Presse ebenfalls einen Nachruf, in dem sie an Udewalds hohe Intelligenz, seinen lebendigen Eifer und die unermüdliche Tatkraft bei der Führung der Gemeinde erinnerte. Die Errichtung unserer schönen großen Synagoge und die Anlage des neuen Friedhofes sind dem rastlosen Streben des Entschlafenen zu verdanken.
Julius Udewald wurde auf dem erst wenige Jahre zuvor geschaffenen jüdischen Friedhof von Hörde unter großer Anteilnahme beigesetzt. An der Beerdigungsfeierlichkeit nahmen auch Spitzen der Behörden teil. Der Rabbiner der Dortmunder Synagogengemeinde, Dr. Benno Jacob, ehrte den Verstorbenen namens der Märkischen Loge.
Die Firma Geschwister Eichholz ging in fortgesetzter westfälischer Gütergemeinschaft auf die Witwe Johanna Udewald und ihre Kinder Karl und Ernst und ihr Enkelkind Lotte Udewald über. Den Kaufleuten Karl und Ernst Udewald wurde Prokura in der Weise erteilt, dass sie diese nur gemeinschaftlich ausüben konnten. Diese Zustand sollte nicht lange währen, denn Johanna Udewald geb. Eichholz starb wie ihr Sohn Fritz und ihr Ehemann Julius ebenfalls 1914, nämlich am 15. Oktober des Jahres. Das Grabmal der Eheleute Udewald steht noch heute auf dem Friedhof am Hörder Kampweg und zwar neben dem für ihren Sohn Fritz.
Klaus Winter
16.11.2022