Siegfried Freund
Siegfried Freund wurde um 1848 in Tarnowitz (Schlesien) als Sohn eines Schichtmeisters geboren. Über sein Elternhaus, Kindheit und Jugend ließ sich nichts feststellen. Er heiratete die fast zwanzig Jahre ältere Luise Hoffmann aus Lublinitz (Schlesien).
Siegfried Freund muss 1882 nach Dortmund gekommen sein, wo er zunächst als Buchhalter, der im Hause Westenhellweg 75 wohnte, feststellbar ist. Zum 1. Januar 1883 trat er als Gesellschafter in das Geschäft seines Schwagers Adelbert Speyer ein. Im Haus Westenhellweg 73, in dem die Ehepaare Freund und Speyer sowie Verkaufspersonal wohnte, boten sie Porzellan-, Glas-, Galanterie- und Kurzwaren an und erlangten im Laufe der Jahre einen guten Ruf. Als Mitinhaber der Firma A. Speyer setzte sich Siegfried Freund 1890 für die Einführung des verkaufsfreien Sonntags ein. Im September 1892 war er Schöffe des Amtsgerichts.
Bei den Stadtverordneten-Wahlen im November 1893 trat Freund als Kandidat der Bürgerpartei für die 2. Abteilung an. Die Kandidaten der Bürgerpartei unterlagen aber denen des liberalen Bürgervereins. Von den 431 abgegebenen Stimmen entfielen 56 auf Siegfried Freund.
Nachdem die Firma A. Speyer zu Beginn des 20. Jahrhunderts in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und schon bevor sie 1902 aufgelöst wurde, betätigte sich Siegfried Freund als Generalagent der Friedrich Wilhelm Preußische Lebens- und Garantie-Versicherungs-Aktien-Gesellschaft zu Berlin. Später stieg er zum Subdirektor dieser Gesellschaft auf. Vorübergehend vertrat er auch die National-Versicherungs-Gesellschaft in Stettin für Unfall, Einbruch, Diebstahl, Wasserschäden und Haftpflicht.
Im April 1903 verlegte Freund seine Wohnung und die Agentur in das Haus Südwall 11. Dort starb am 2. September 1904 seine Ehefrau im Alter von 75 Jahren. Der ebenfalls im Haus wohnende Schwager Adelbert Speyer meldete dem Standesamt den Todesfall. Ab 1906 wohnte Siegfried Freund im Haus Dresdener Straße 10, ab 1909 im Haus Hohensyburgstraße 29 (heute Chemnitzer Straße).
Siegfried Freund starb am 9. Juni 1909 in seiner Wohnung. In einer Todesanzeige, die Adelbert Speyer aufgegeben hatte, heißt es, dass der Tod infolge eines erneuten Schlaganfalls plötzlich eingetreten sei. Luise und Siegfried Freund fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Ostfriedhof an der Seite des Ehepaares Adelbert Speyer. Das Grab ist nicht erhalten.
Engagement für Gemeinde und Judentum
Im Dezember 1887 wurde Siegfried Freund als stellvertretendes Vorstandsmitglied mit einer Amtsdauer bis Ende 1890 in den Vorstand der Synagogen-Gemeinde Dortmund gewählt. Nach dem 1889 erfolgten Tod des Vorstandsmitgliedes Moses Heymann wurde Freund für die restliche Amtsdauer des Verstorbenen ordentliches Mitglied des Vorstandes und als solches im November 1893 erstmals wiedergewählt. Er blieb bis zu seinem Tode Mitglied des Synagogen-Vorstands. Noch im Dezember 1908 hatte ihn die Repräsentanten-Versammlung wieder in den Vorstand gewählt.
Im Jahre 1891 wurde der Verband der Synagogengemeinden Westfalens gegründet. Im folgenden Jahr gehörten ihm bereits 30 Gemeinden an, darunter alle großen und die meisten der mittelstarken Gemeinden der Provinz. Auf dem 4. ordentlichen Gemeindetag des Verbandes, der im Juni 1894 in Soest stattfand, wurde S. Freund in den Ausschuss des Verbandes gewählt. Innerhalb des Ausschusses nahm er die Aufgaben des Rendanten und Schriftführers war.
Siegfried Freund war auch Mitbegründer und Vorstandsmitglied des Verbandes der Vereine für jüdische Geschichte und Literatur, der am 26. Dezember 1893 in Hannover ins Leben gerufen worden war und dem im Herbst 1895 bereits 55 Ortsvereine angehörten. Darüber hinaus war er lange Jahre Vorsitzender des Dortmunder Ortsvereins.
Als Beispiele für sein ehrenamtliches Engagement in der Stadt sollen zwei Ereignisse aus dem Jahre 1904 angeführt werden: Beim Stiftungsfest des israelitischen Frauenvereins von Dortmund leitete Siegfried Freund mit größtem Geschick und Erfolg, wie man das bei einem so bewährten Manne von jeher gewohnt ist, eine Theateraufführung. Wenige Wochen später hielt Freund eine formvollendete Gedächtnisrede auf den Dichter Karl Emil Franzos vor dem Verein für jüdische Geschichte und Literatur.
Klaus Winter
03.01.2023